Ein Gastbeitrag von Marco Klex & Co-Autor Ron_Chitis

Für RB Leipzig Fans gab es bisher größtenteils nur eine Richtung: Steil bergauf. Sky is the Limit, wie es im Managerneusprech so schön heißt. Das Wort Krise existierte nur im Zusammenhang mit langen Schlangen vor den Kiosken und Toiletten, sowie bei Gedanken an den Online-Ticketshop.

Vor unserer ersten Erstligasaison 2016/17 sagte unser damaliger Coach Ralph Hasenhüttl:

„Werden kein Spiel verlieren, entweder wir gewinnen oder lernen“. Dieser Spirit brachte uns gleich im ersten Jahr der Zugehörigkeit zum Fußballoberhaus die Champions League Qualifikation ein. Und markierte den Start zu vier Championsleague-Teilnahmen und einer Europaleague-Teilnahme. Mit Ralf Rangnick als Sportdirektor und Gelegenheitstrainer und Oliver Mintzlaff als Geschäftsführer prosperierte der Club und schrieb eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte. Das sicher reichlich vorhandene Geld wurde sinnvoll investiert in Beine und Steine und nicht wie in Berlin sinnlos herausgeschleudert. Eine Mannschaft wuchs zusammen und ein Trainingszentrum entstand aus dem buchstäblichen Nichts. Jede Position war mit Spezialisten besetzt, welche jederzeit wussten was zu tun ist. Nichts wurde dem Zufall überlassen und  passte alles zusammen und ein Rädchen griff ins andere. Das war das was uns von anderen Investorenclubs unterschied  und die ganze Fußballwelt  bewundernd nach Leipzig schauen ließ. Und das war das, was es uns ermöglichte so wunderbare Fußballer wie Olmo, Forsberg und Nkunku (um nur einige zu nennen) zu uns kommen ließ.
Mit dem Erfolg, wuchs allerdings nicht nur das Selbstbewusstsein sondern auch die Ansprüche. Und leider  auch die Eitelkeiten, aber dazu später.

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Kann das was damals richtig war – das Lernen – heute falsch sein? Schließlich lernt man ja nie aus. Ich meine ja, zumindest sollte man Lektionen die man gelernt hat nicht wieder vergessen und neu erlernen müssen. Da wo RB Leipzig angekommen ist, kann man sich keine Fehler mehr leisten. Denn diese bedeuten das Verpassen des europäischen Geschäfts, Säulen des Teams werden das Team verlassen, weniger Geld für Neuverpflichtungen wird da sein und so weiter. Wir sind an einem Punkt angelangt wo wir die Basics ausgelernt haben sollten. Und trotzdem sagt unser Coach Jesse Marsch nach der Niederlage in Manchester „Wir wollten lernen und das haben wir auch geschafft.“ Ja, diesen Satz kann man nach einem Trainingsspiel in der Saisonvorbereitung sagen, aber doch nicht nach einem Championsleague Match. Viele von uns hat dieser Satz aufhorchen lassen. Aber das war nicht das erste und letzte Mal, dass unser Coach Schwierigkeiten hatte seine Inhalte sprachlich zu übermitteln.

Jetzt aber auf den Übungsleiter einzuprügeln wäre unfair und zu billig, denn das Problem liegt an einer anderen Stelle. Das was unsere Stärke war, eine Strategie zu haben und Spezialisten in jeder Position zu haben, die wissen was zu tun ist und die Besten ihres Fachs sind. Das ist Vergangenheit. Derzeit regiert das Mittelmaß und das ist aus Eitelkeit und Machtanspruch fahrlässig herbeigeführt worden.

2019 auf dem Zenit des Erfolges war es aus Ralf Rangnicks Sicht ein gut bestelltes Feld. Wir hatten mit Julian Nagelsmann den wohl besten derzeit tätigen Fußballlehrer engagiert, mit Markus Krösche einen Sportdirektor der in Paderborn schon bewiesen hat, dass er etwas aufbauen kann und hier unter den Fittichen von Rangnick sicher von einem guten zu einen exzellenten Sportdirektor gewachsen wäre. Dazu mit Oliver Mintzlaff einen Geschäftsführer der auf die Noten schaut und das Geld ein wenig beisammen hält. Im Hintergrund Rangnick selbst als Spiritus Rector der im Notfall noch ein paar Strippen ziehen kann. Doch leider falsch gedacht. Der bei den Fans äußerst geachtete und beliebte Rangnick wurde als Head of Global Soccer in die Konzernzentrale abgeschoben und entmachtet. Statt ein Denkmal vorm Stadion bekam er den Fußtritt hinaus. Ich denke und das sind nur Vermutungen anhand der Informationen, die nach Außen traten, der Knackpunkt war an der Stelle der geplatzte Haaland-Deal. Rangnick verhandelte mit der Haaland-Seite mit dem Wissen im Hinterkopf das Geld, was ihm Mintzlaff wohl verwehrte, in Fuschl in irgendeiner Art und Weise zu bekommen. Parallel verhandelte aber Krösche & Nagelsmann mit den Konditionen, die sie von Mintzlaff erhielten, ebenfalls mit Haaland. Dass dieses Durcheinander da nicht gut ankam ist wohl logisch. Der Rest dieser Posse ist bekannt. Das war dann wohl der Punkt an dem es zum Bruch kam und Rangnick als “nur” Sportdirektor den Kürzeren zog. Mintzlaff hatte dadurch seine Position innerhalb des Clubs gestärkt. Als dann nach zwei weiteren Jahren auch noch Markus Krösche – wohl frustriert über die mangelnde Macht die ihm zugebilligt wurde – den Verein verließ, erlischte die letzte Flamme Fußballkompetenz in der Führung von RB Leipzig. Wer schon mal in einem größeren Konzern oder Unternehmen gearbeitet hat, weiß, dass diese Ränkespielchen nicht weit hergeholt sind. Übrig blieben ein Wirtschaftsmanager und ehemaliger Leichtathlet, ein Marketingspezialist und ein Talentscout um die strategische Ausrichtung des Vereins zu bestimmen. Und das klappt so gut als würde man einen Bankkaufmann zum Bundesgesundheitsminister machen.

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Zunächst sah es gut aus. Es wurde zügig  – zu zügig – ein Nachfolger für Nagelsmann gefunden, ein paar Verträge verlängert und einige gute Neuverpflichtungen (Silva, Simakan, Brobbey, Moriba) getätigt. Doch nichts fügte sich zu einem Ganzen zusammen. Und das liegt an fehlender strategischer Planung.

Der größte Fehler war Julian Nagelsmann wechseln zu lassen. An dem Gerücht, dass Nagelsmann unbedingt wechseln wollte, glaube ich nicht erst seit seinen letzten Aussagen nur bedingt. Das war z.B. in Hoffenheim gar nicht seine Art den Laden dermaßen hastig zu verlassen. Viel mehr kommt es mir nun wie eine Flucht vor. Darüber warum Nagelsmann diese Flucht antrat kann man nur spekulieren. Aber ich denke auch er hat gemerkt, dass er hier nun keinen geistigen Gegenspieler in Sachen Fußball mehr hatte. Ich glaube, auch er wird sich über ein Zusammenspiel mit Rangnick hier wohl gefreut haben. Beim Abendessen mit Mintzlaff über neueste fußballtaktische Entwicklungen zu sprechen, stelle ich mir für ihn sehr ermüdend vor. Man hat sich mit dem Abgang Nagelsmanns nicht nur geschwächt, sondern München auch noch gestärkt. Nicht nur, dass der Trainer jetzt dort ist, sondern auch Internas über Trainingsmethoden, Ernährungspläne, Long-Term Goals usw. sind mit ihm dort hin gewechselt. Eine Führungspersönlichkeit zum direkten Konkurrenten gehen zu lassen, dürfte es in Wirtschaftskreisen so wohl nicht geben.

Dazu haben die Spielerverkäufe von Upamecano und Sabitzer zu den Bayern die Kasse ebenfalls klingeln lassen und für Dollarzeichen in Mintzlaffs Augen gesorgt. Doch dieser wirtschaftliche Erfolg ist nur eine Blendgranate auf die nur ein rein wirtschaftlich denkender Fußballmanager hereinfallen kann. Der wirtschaftliche und der Imageschaden den man jetzt durch verpassen der Championsleague hat, ist wesentlich größer als die jetzt kurzfristig eingenommenen paar Millionen. Wie will man jetzt hochtalentierten Spielern glaubhaft machen, dass ein Wechsel hier her lohnt, weil man auch hier Titel gewinnen kann? Ein junger Upamecano würde jetzt wohl nicht mehr zu uns wechseln. Dieses Faustpfand hat Mintzlaff mit verkauft in dem er nur wirtschaftlich und ohne fußballerische Emotion handelte. Wie lang es braucht um sich von einem Leerkauf durch die Bayern zu erholen, kann man ja gerne bei den Fans von Bayer 04 Leverkusen oder des SV Werder Bremen erfragen.

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Derzeit möchte Oliver Mintzlaff alles selber machen. Er verhandelt die Verträge mit Spielern, führt Transferverhandlungen und unser Trainer ist mittlerweile in einer so schwachen Position, dass er aufpassen muss, das Mintzlaff nicht auch noch bald das Ingame-Coaching übernimmt. Und je mehr es nicht rund läuft, desto mehr reißt er alles an sich. Er wirkt wie ein von einer Lawine verschütteter der sich in seiner Not auch noch immer weiter nach unten buddelt.

Auf dem Weg zum Erfolg ist Mintzlaff – wie der griechische Sagenheld Ikarus – zu nah an die Sonne geflogen, das Wachs in den Flügeln schmolz und geblendet von der eigenen Strahlkraft stürzt er nun Richtung Boden. Wir haben einen Geschäftsführer, der jeden der ihn in Punkto Beliebtheit und Anerkennung den Rang abläuft (und das ist nicht schwer), entmachtet und frustriert oder gleich aus dem Verein wirft. Beginnend bei dem bei den Fans ungemein beliebten Hasenhüttl, dann Rangnick und  schließlich Nagelsmann und Krösche. Alle genannten sind letztendlich Opfer von Mintzlaffs Eitelkeit geworden.

Wir brauchen wieder eine mächtige und strahlkräftige Person im sportlichen Bereich der dem Verein wieder einen klaren Plan gibt. Nicht nur gute Spieler unter Vertrag nimmt, sondern darauf achtet, dass diese auch unabhängig vom Trainer zusammen passen. Und das darf kein Leichtgewicht und Lehrling sein. Diese Person muss Mintzlaff wieder zurück ins Glied befördern, dorthin wo er sich auf seine Kernkompetenz und Private Equity Swaps begrenzen kann. Diese Person muss das sportliche machtpolitische Gegengewicht zum Wirtschaftler Mintzlaff sein. Nur so bekommen wir den Club wieder in die gewohnte Erfolgsspur. Dafür wären wir bereit!

Randbemerkung:

Die aktuellen Aussagen von Rangnick zur Causa Nagelsmann bei DAZN Decoded kann man auch als “in Stellung bringen” interpretieren. 😉

@marcoklex (Klex in der Landschaft)


Ron_Chitis

philanthropischer Misanthrop mit einer gewissen Neigung zum einzig wahren Rasenballsport

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